Bildungs- und Lerngeschichten

Das Kind im Mittelpunkt - Lernprozesse der Kinder beobachten, dokumentieren und unterstützen

Beobachtung beim Falten

Angetrieben durch den eigenen Wissensdurst erkunden Kinder von Geburt an ihre Umwelt. Mit allen Sinnen versuchen sie ihre Umgebung zu entdecken, zu erleben und zu erfassen. Sie eignen sich in zahlreichen und vielfältigen Bildungsprozessen Fertigkeiten und Fähigkeiten an. Sie bauen diese in weiteren Lernprozessen aus.  

Jedes Kind ist Akteur seiner eigenen Entwicklung und hat somit seinen eigenen individuellen Bildungsprozess. Dabei steht das Kind im ständigen Austausch mit seiner Umwelt, es setzt sich aktiv mit Personen, Dingen und Umgebungen auseinander und entwickelt dabei seine ganz eigenen Ideen und Erklärungsmodelle über die Welt, die es umgibt.

"Grundsätzlich lernt also jeder Mensch, vom Mutterleib bis ins Greisenalter, wenn er sich mit den Dingen seiner Umwelt und anderen Menschen auseinandersetzt. Das Ergebnis des Lernens schlägt sich als Veränderung im Gehirn, als Gedächtnisspur nieder." (Orientierungsplan Baden-Württemberg 2011, S. 30)  

Um diese komplexen ganzheitlichen Bildungs- und Lernvorgänge der Kinder beobachten und dokumentieren zu können, wurden in den evangelischen Kindertageseinrichtungen 2006 die "Lerngeschichten" nach Margarete Carr eingeführt. Ursprünglich stammt das Konzept ("Te Whᾶriki") aus Neuseeland und wurde vom Deutschen Jugendinstitut München (dji) an unsere Bedürfnisse angepasst und erprobt.  

 "Te Whᾶriki" stammt aus dem Glaubensgut der Maori und bedeutet "fein gewobene Matte". Nach der Geburt wurden die Kinder in eine für sie speziell geflochtene Matte aus Flachs gewickelt. Die engmaschige Decke sollte die Kinder beschützen.
Jede einzelne Lernerfahrung bildet einen neuen Faden, der in die "Matte" gewoben wird. So individuell die Lernprozesse der Kinder sind, so vielfältig werden die einzelnen "Matten". Die Bildungs- und Lerngeschichten bauen demnach auf der Individualität jedes Kindes auf. Sie geben ihm den nötigen Freiraum zu wachsen und unterstützen gleichzeitig seine Lernprozesse.
"Zum Anderen wird damit verbunden, "dass das Wissen und Verstehen von Kindern wie ein Wandteppich von zunehmender Feinheit, Komplexität und Reichhaltigkeit ist."" (Bildungs- und Lerngeschichten 2007, S. 21) Die einzelnen Lernerfahrungen werden miteinander verknüpft.    

Die "Lerngeschichten" (LG) sind ein Instrument, um im Rahmen des Baden- Württembergischen Orientierungsplans Bildungsprozesse in jedem Kindesalter zu erkennen und zu begleiten, unabhängig von Nationalität, Herkunft oder Behinderung. Die pädagogische Grundhaltung dahinter sieht die Einzigartigkeit eines jeden Kindes als Gewinn, die Unterschiedlichkeit als interessante Herausforderung und Bereicherung. 
Bei den Bildungs- und Lerngeschichten handelt es sich um einen ressourcenorientierten Ansatz, der das lernende Kind mit all seinen Interessen, Stärken und Kompetenzen in den Blick nimmt.

Durch regelmäßige Beobachtungen, Analysen und Dokumentationen versuchen pädagogische Fachkräfte möglichst unvoreingenommen die Interessen und Lernaktivitäten der einzelnen Kinder herauszufiltern, um einen besseren Einblick in die individuellen Lernschritte zu erhalten. Die pädagogische Fachkraft ist dabei neugierige Wegbegleiterin, die sich wissbegierig und forscherfreudig mit dem Kind gemeinsam auf Entdeckungsreise begibt.  

Durch die anschließenden Gespräche mit den Kindern in Form einer Lerngeschichte wird die Aufmerksamkeit der Kinder auf ihr eigenes Lernverhalten geschärft und weiterentwickelt. Sie fühlen sich in ihrem Tun wahrgenommen und wertgeschätzt.
Durch die dokumentierte Lerngeschichte erhalten die Kinder die Möglichkeit, sich an vergangene Lernsituationen immer wieder neu zu erinnern und zu stärken. 

  • So entsteht eine Lerngeschichte

    Beim Schreiben der Lerngeschichte werden folgende Grundlagen genutzt:

    • Alltagsbeobachtungen
    • Dokumentierte Beobachtungen
    • Analyse nach Lerndispositionen
    • Erkenntnisse aus dem kollegialen Austausch mit den anderen pädagogischen Fachkräften im Team
    • Erkenntnisse aus den Dialogen mit dem Kind
    • Erzählungen und Eindrücke von Eltern    

    Das Beobachtungsinstrument ist offen gestaltet. Während der Beobachtung ist der/die Beobachtende deutlich erkennbar. Die pädagogische Fachkraft setzt sich nah an das Geschehen, ausgerüstet mit Stift und Papier oder Kamera, nimmt aber in der Regel nicht an der Aktivität des Kindes teil. Für das Kind ist offen erkennbar, dass es beobachtet wird. Es ist mit der Situation vertraut und wird dadurch nicht beeinflusst in seinem Handeln. Die Kinder erleben die Beobachtung der pädagogischen Fachkraft als eine Wertschätzung und Interesse an ihrem Tun.So wird eine Beschreibung der Handlungen und Aktivitäten des jeweiligen Kindes interpretationsfrei schriftlich dokumentiert. Es wird die Aktivität des Kindes festgehalten ohne vorweggegriffene Bewertungen. Erst bei der Auswertung der Beobachtung wird mit Hilfe der Lerndispositionen das Handeln des Kindes den einzelnen Dispositionen zugeordnet.Lerndispositionen sind komplexe Orientierungs- und Handlungsmuster, die zur Aneignung von Wissen und Fertigkeiten beitragen. Um die Stärken und Ressourcen des Kindes herauszuarbeiten, konzentrieren sich die "Bildungs- und Lerngeschichten" auf die Lerndispositionen.

  • Auswertung einer Beobachtung und "Ich-Ordner"

    Bei der Auswertung einer Beobachtung spielen folgende Lerndispositionen eine wichtige Rolle:

    • Wie interessiert zeigt sich das Kind?
    • Wie engagiert es sich?
    • Wie verhält es sich bei Schwierigkeiten?
    • Wie drückt es sich aus (verbal bzw. nonverbal)? 
    • Wie verhält es sich in der Gruppe?    

    In der anschließenden Phase "kollegialer Austausch" werden die verschiedenen Blickwinkel der Fachkräfte auf das Kind eröffnet. Gemeinsam werden unterschiedliche und vielfältige Möglichkeiten für die weitere Begleitung des Kindes im fortsetzenden Lernprozess erarbeitet.  

    Im nächsten Schritt wird in der Lerngeschichte der individuelle Entwicklungsschritt (Bildungsprozess) des Kindes erfasst. Die Lerngeschichte wird in Briefform verfasst und richtet sich direkt an das Kind. Die Geschichte beinhaltet eine Zusammenfassung der Lernprozesse des Kindes. Mit Hilfe von Fotos und dieser "Lerngeschichte" wird die Aktivität (Lernerfahrung) mit dem Kind besprochen, weiterentwickelt und in einem Portfolio "Ich-Ordner" aufbewahrt.  
    Die Lerngeschichten ermöglichen allen Beteiligten in der pädagogischen Arbeit, das Kind noch besser kennenzulernen.


    Das Kind hat während der Kindergartenzeit jederzeit Zugang zu seinem Portfolio-Ordner, kann darin blättern und kann seine Lerngeschichten auch anderen Kindern und Erwachsenen zeigen. Die Kinder haben die Möglichkeit, sich an einzelne Lernprozesse zu erinnern, nachzuerleben und mit anderen zu teilen.

    Die Bildungs-und Lerngeschichten sind ein wichtiger Bestandteil der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Fachkräften und Eltern. In Elterngesprächen, in denen sich Eltern und Fachkräfte über den Lern-und Entwicklungsprozess des Kindes austauschen, eignen sich die Bildungs- und Lerngeschichten als ideale Grundlage. Die Eltern bekommen durch die Beobachtungen und deren Interpretationen einen genauen Einblick in den Kindergartenalltag ihres Kindes und in dessen Lernprozesse.
    In den Lerngeschichte sehen Eltern, mit welchen Themen sich ihre Kinder derzeit beschäftigen und wie diese sich auf eine komplexe Art und Weise vertiefen und erweitern. Sie erleben, dass ihr Kind in einer besonderen Weise wahrgenommen wird und seine Aktivität im Alltag wertschätzend in Form von Lerngeschichten festgehalten wird. So wird das Elterngespräch zu einem Austausch über die Interessen des Kindes, sowohl in der Einrichtung als auch zu Hause.
    Im Austausch zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften werden wertvolle Impulse gewonnen für die weitere Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. Aus dem Gespräch ergibt sich, wie das Kind am besten gemeinsam unterstützt werden kann in seinen Bedürfnissen und den individuellen Bildungs- und Lernprozessen.  

  • Die Lerngeschichte dokumentiert die Entwicklung des Kindes

    Das Kind hat während der Kindergartenzeit jederzeit Zugang zu seinem Portfolio, kann darin blättern und kann seine Lerngeschichten auch anderen Kindern und Erwachsenen zeigen. Die Kinder haben die Möglichkeit, sich an einzelne Lernprozesse zu erinnern, nachzuerleben und mit anderen zu teilen.

    Die Bildungs-und Lerngeschichten sind ein wichtiger Bestandteil der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Fachkräften und Eltern. In Elterngesprächen, in denen sich Eltern und Fachkräfte über den Lern-und Entwicklungsprozess des Kindes austauschen, eignen sich die Bildungs- und Lerngeschichten als ideale Grundlage. Die Eltern bekommen durch die Beobachtungen und deren Interpretationen einen genauen Einblick in den Kinderalltag ihres Kindes und dessen Lernprozesse.
    In den Lerngeschichte sehen Eltern, mit welchen Themen sich ihre Kinder derzeit beschäftigen und wie diese sich auf eine komplexe Art und Weise vertiefen und erweitern. Sie erleben, dass ihr Kind in einer besonderen Weise wahrgenommen wird und seine Aktivität im Alltag wertschätzend in Form von Lerngeschichten festgehalten wird. So wird das Elterngespräch zu einem Austausch über die Interessen des Kindes, sowohl in der Einrichtung als auch zu Hause.

    Im Austausch zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften werden wertvolle Impulse gewonnen für die weitere Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. Aus den Gespräch ergibt sich, wie man das Kind am besten gemeinsam unterstützen kann in seinen Bedürfnissen und den Bildungs- und Lernprozessen.  
      

  • Fachtag "Lerngeschichten - Das Tüpfelchen auf dem i"

    Tania Bullick, Carol Marks und Kim Hope

    Im September 2018 waren Gäste aus Neuseeland in Stuttgart: Tania Bullick, Kim Hope und Carol Marks vom Educational Leadership Projects (ELP).
    Der trägerübergreifende Fachtag war an die pädagogischen Fachkräfte aus den Kindertageseinrichtungen gerichtet, mehr als 800 Teilnehmende füllten den Paul-Lechler-Saal des Hospitalhofs. Die Moderation übernahm Anne Huber-Kebbe vom Kronberger Kreis.

    In ihrem Grußwort betonte Jugendamtsleiterin Dr. Susanne Heynen die Wichtigkeit von Bildungserlebnissen in dieser frühen Phase der Entwicklung der Kinder. Karin Trautwein stellte das Bundesnetzwerk Lerngeschichten vor, das die fachliche Weiterentwicklung der Lerngeschichten und ihre Verbreitung im deutschsprachigen Raum voranbringt.

    Die Referentinnen gaben in drei verschiedenen Kurzvorträgen Einblicke in die Philosophie der Lerngeschichten und den aktuellen Stand der Umsetzung. Beispiele aus ihrer Praxis gaben Inspiration für den Alltag in der Kita und verdeutlichten, welche professionelle Haltung dabei gelebt wird. Die Vorträge wurden auf englisch gehalten und ins Deutsche übersetzt.
    Bei den anschließenden Gesprächen in verschiedenen Dialogräumen gab es anhand von Leitfragen viel Gelegenheit zur Vertiefung und zum fachlichen Austausch, was rege genutzt wurde.

    Für ihr Abschlusslied in der Sprache der Maori erhielten die drei Gäste großen Applaus.
    Veranstalter des Fachtags waren der Evang. Kirchenkreis Stuttgart, der Dachverband der Stuttgarter Eltern-Kind-Gruppen und die Stadt Stuttgart in Kooperation mit dem Netzwerk Lerngeschichten.

    Das bundesweite Netzwerk Lerngeschichten hat sich die Weiterentwicklung und Qualitätssicherung der Arbeit mit Lerngeschichten zum Ziel gesetzt und ist eine Initiative zur Vernetzung in Deutschland.